Tag143: Dienstag 31.01.06
Woran man merkt, dass einem langweilig ist? Ich will euch an dieser Stelle einige Beispiele geben. Allen voran natürlich daran, dass man ein Tourtagebuch von vier bis sechs Vollidioten liest. Wohl möglich sogar noch regelmäßig. Ein weiterer Hinweis auf Langeweile ist das unentwegte Singen von "Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier!". Mir ist beim immer-wieder-singen irgendwann aufgefallen, dass ich diese Zeilen eigentlich nur von Basti kenne, das Lied an sich aber noch nie gehört habe. Und wer singt das eigentlich? Muss auf jeden Fall nen Spitzen-Song sein, schließlich ist Basti mal aus dem Unterricht geflogen, nachdem er es auch gesungen hatte. Wahrscheinlich war ihm auch langweilig. Damals gab's ja auch noch kein Tagebuch. (lol... jo, lala hier für euch! Wer sucht, der findet! Man beachte die grandiose Zweitstimme... :D Original ist glaub ich von Paul Kuhn, 1963...)
Überhaupt, was ist hier gerade los? Also mal von Vorne. Lennart ist gestern nach der Prüfung nach Hause gefahren. Basti hat sich entschlossen, diese und die kommenden Nächte lieber nicht in der Herberge zu schlafen. Er übernachtet bei einer Bekannten hier in KBH. In Valby, um genau zu sein. Und heute Morgen in der Früh sind dann auch noch Matthes und Franzi zum Bahnhof aufgebrochen. Ja, ich bin der Letzte, der hier in der Herberge die Stellung halten muss.
Tja, hatte mir alles super ausgedacht: Aufstehen, duschen, meine Koffer in den einen Raum stellen lassen, in den wir bisher IMMER unsere Sachen abstellen/abschließen lassen konnten. Dann nur noch bis um eins oder zwei oder drei Uhr warten. Dann kommen meine Eltern, die sich Kopenhagen ansehen wollen. Na ja, und mich abholen natürlich auch. Hehe.
Gut, das war in der Tat ein tollkühner Plan. Also das mit dem Aufstehen, den Koffern und so.
Was Sven zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Anstatt einfach nach Hause zu fahren, hätten seine ehemaligen Mitbewohner auch ihre Bleibsel mitnehmen sollen. Drei Handtücher, ein Pullover (Größe 38, schwarz, von Franzi), Schwämme, Tupperware, Alufolie, eine ganze Tüte voll mit essen (UND zu diesem Zeitpunkt ist der Kühlschrank mit unseren Waren noch VOLL!). Und alle möglichen anderen Krim-Krams.
Ich also alles eingepackt. Ich habe nunmehr: Meinen eigenen Koffer nebst eingeklemmten Regenschirm, eine Papiertasche mit einem Präsent, eine kleine rote Tasche mit irgendwas, einen Leinenbeutel mit Essen und Trinken für die Zeit im Aufenthaltsraum, eine Plastiktüte mit dem Essen aus dem Schrank, eine Papiertüte mit den Dingen der anderen. Meine Gitarre. Meine Jacke, Schal. Und dann nur noch meine kleine voll gestopfte Notebook-Tasche.
EIGENTLICH Grund genug, um meine Dinge in den Raum zu stellen. An dieser Stelle wollen wir uns besinnen, dass ich noch in Dänemark bin. Denn die Dänen nicht das reicht nicht. Die nette Frau an der Rezeption hat mich auf die Schließfächer am Ende des Flurs verwiesen. "Maybe you use two lockers." Danke vielmals. Lass mal überlegen. Ich tue nun also einen Koffer, zwei Plastik- und zwei Papiertüten, eine Stofftüte, mein Notebook und meine Gitarre in ein Spind. Ach nee, zwei. Ein Spind hat die Ausmaße: 30x50x40. Okay. Die beiden Plastiktüten würde ich da sicher rein bekommen.
Keine Ahnung, ob die gute Frau ein Problem mit der räumlichen
Wahrnehmung
hat (ooookay. Das haben Frauen ja immer) oder ob die so eine Art "Materietransformator" besitzt, mit dem man ein Auto in eines dieser kleinen Spielzeuge für Kinder verwandeln kann. Ich hab ja noch genug Zeit. Ich frag sie nachher glaub ich einfach mal.
Das die junge Mutter hier eben ihren Kinderwagen samt Inhalt mit voller Pulle gegen die Tür geschoben hat, sei nur eine kleine Randmerkung. Sie musste scheinbar dringend auf ihr Handy sehen. Ein Airbag hätte das Kind vielleicht retten können.
Zurück zum Thema. Stehe also mit meinen Habseeligkeiten vor den Spinds, in der man nicht mal seine gesamten Schulbücher könnte hineinstellen. Und dann muss ich auch noch lesen, dass diese Fächer 55DKK am Tag kosten. Also mal eben knappe 6€. Natürlich für zwei Fächer.
Nein, ich weigere mich. Wie eines dieser bockigen Kinder, das seinen Spinat nicht essen will. Nun sitze ich hier bei den Lockern. VOR den Lockern, um genau zu sein und werde hier den Rest der Zeit ausharren. Soll sie doch sehen, was sie davon hat. Ich habe KEIN Geld und schon gar nicht dafür, meine Kekspackung in das Schließfach zu tun.
Extra sinnlos ist übrigens, dass man alles innerhalb einer Minute verstauen muss. Das ist bestimmt wieder für die Dänen total PRAKTISCH.
Nun ist es bereits 10:18. In drei Stunden könnten meine Eltern kommen.
Ich glaube, gleich werde ich hier erst mal Gitarre spielen.
Oder Musikvideos gucken.
Hier in der Vorhalle. Aber das nervt sicher GAR NICHT. Der Aufenthaltsraum oben ist leer und hat ne Tür. Aber meine Dinge kann ich ja nun schlecht unbeaufsichtigt lassen. Und unangenehmer als der Staubsauger, der seit zwei Stunden unentwegt surrt, kann mein Gitarrenspiel auch net sein.
++++++++++
Ok. Mal Hand auf Herz. Was möchte man alles NICHT unter dem Bett in der Jugendherberge von seinem Vorgänger finden? -> bitte eine Sekunde inne halten und drüber nachdenken <- Als ich mein Zimmer endgültig verlassen wollte, gucke ich wie es meine Art ist noch einmal unter alle Betten, ob nicht eventuell was untergerollt ist. Uns ist auch nichts abhanden gekommen. Dafür haben unsere Vormieter was vergessen. Eine Familienpackung Vaseline - Verdammt noch mal, was macht man mit einer Familienpackung Vaseline in einer Jugendherberge? Die Wände sind ungefähr so dick wie drei Lagen Taschentücher und im Zimmer ist man verdammt noch mal mit fünf Leuten. iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiigitt. Ich hab die Packung dann doch lieber da gelassen. Vielleicht kommt der Besitzer ja wieder.
++++++++++
Ich werde gegen halb zwei von meinen Eltern abgeholt, denen ich dann die Sehenswürdigkeiten Kopenhagens zeige: den Hot-Dog-Stand und das Café K. Sehr krass im
Übrigen: Durch die Sonne schmelzen die Schneeplatten auf den Dächern und rutschen nach und nach in die Fußgängerzone. Von einer werde ich fast erschlagen. Wenn ein circa Dachziegel-großer Brocken Eis nen halben Meter vor dir auf den Boden klatscht, hat man echt Glück, vorher zufällig ne Sekunde gestanden zu haben. Wenn die Dinger von 5-7 Metern Höhe in die Tiefe brausen bekommen die schon ziemlich Geschwindigkeit.
Im K haben wir dann noch nen Kaffe und heiße Schoki getrunken und ich musste mich dann endgültig von Ines, Kamilla und den anderen K-Leuten verabschieden! Bis bald und auf Wiedersehen!!
Meine Eltern sind zum Zeitpunkt unserer Abreise circa 2,5 Stunden in Kopenhagen gewesen. Aber der Hot-Dog war lecker ;)
++++++++++
Dies hier wird also mein wohl vorerst letzter Eintrag gewesen sein. Nur noch Basti verweilt einige Tage in Kopenhagen und wird uns somit über die letzten Geschehnisse berichten können. Vielleicht kann er noch die letzten Fragen über unsere Nachbarn lüften: Warum können fünf-jährige Dänen schon besser sprechen als wir (waren die auch bei Frau Dudde?); wird es jemals einen tolleren Dichter als H.C. Andersen geben? Wer zeichnet die besten Karikaturen?
H.C. Andersen in Denkerpose
Ich nenne ihn auch gerne "Die Nase des Jahrhunderts".
Ich möchte an dieser Stelle "Tschüß" sagen! Auch wenn es ab und zu mal stressig war, abends nach einem 10 Stunden Tag sich wieder einmal aufzuraffen, einige Zeilen für das Tagebuch zu schreiben, habe ich es doch meist genossen. Freut mich, dass doch einige Spaß am Lesen des Tagebuches hatten und somit moralische Stütze waren, so dass wir nicht vorzeitig aufgaben zu Schreiben! Danke noch mal an Alle für eine schöne Zeit in Dänemark, auch wenn das Zusammenleben mit 5 Leuten in 2 Zimmern sicher nicht immer so einfach war. Aber PRAKTISCH! Also, haut rein, wir werden uns dann ja alle im kommenden Semester wieder in Lübeck sehen. Und wer weiß, vielleicht sprechen wir dann mit Dozent Koch nur noch auf Dänisch. "Skål!"
"Wir finden schon nach Hause. So oder so!" (Die Sterne, entnommen aus "bis neun bist du o.k.")
+++